Die Behandlung der ADHS benötigt ein störungsspezifisches Therapiekonzept, das auf die besondere Problematik der Betroffenen abgestimmt ist. Sinnvoll ist die Erstellung eines individuellen Therapieplans, der auf die aktuelle Situation des Betroffenen und seines Umfeldes abgestellt ist.
Es gibt verschiedene therapeutische Ansätze und es ist oft sinnvoll, diese Angebote je nach Bedarf aufeinander abzustimmen. Die aufgeführte Liste zeigt Behandlungsstrategien, die je nach Ausprägung und Schweregrad zum Einsatz kommen können.
Da ADHS auch bei mehreren Familienmitgliedern auftreten kann, benötigt oft die ganze Familie Hilfe, um besser miteinander umzugehen und sich gut zu organisieren (multimodales Therapiekonzept).
- Aufklärung über ADHS, Beschäftigung mit dem Krankheitsbild
- Selbsthilfegruppen, Elterngruppen
- Coaching
- Konzentrationstraining, Entspannungstraining
- Ergotherapie
- Heilpädagogik
- Logopäden
- Elterntraining
- Verhaltenstherapie
- Nachhilfe
- Spezieller Kindergarten/Schule/Berufsförderung
- Störungsspezifisches Trainingsmodul
- Andere Therapien
- Medikation (siehe Medikation)
Komplementär sind eventuell noch weitere Maßnahmen notwendig, wie Paarberatung, berufliche Umschulung, Einbeziehung der Jugendämter mit sozialpädagogischen Familienhilfen, Schuldnerberatung oder Antiaggressionstraining.
Aufklärung und Beschäftigung mit dem Krankheitsbild:
Gerade für Erwachsene ist es oft nach jahrelangen Misserfolgen eine ungeheure Entlastung, wenn sie verstehen, warum in ihrem Leben so vieles schief gelaufen ist und das das einen Namen hat: ADHS. Für die Eltern ist es wichtig, dass sie in der Erziehung nicht versagt haben und sie nicht schuld sind. Auch zeigt das Kind nicht absichtlich das Verhalten, um seine Eltern zu ärgern oder zu provozieren. Unerkannt gleicht die ADHS einem Geist, der durch das Leben spukt und immer wieder beträchtlichen Schaden anrichten kann. Die Erfahrung, dass auch andere Menschen von ADHS betroffen sind und dass man gute Strategien gegen ADHS entwickeln kann, nimmt oft den Betroffenen ihre Hoffnungslosigkeit und ihr Unverständnis über sich selbst. Sie müssen nicht mehr so an sich zweifeln oder sich einsam oder ausgeschlossen fühlen.
Selbsthilfegruppen
Niemand versteht einen besser als diejenigen, die selbst betroffen sind. Neben ausgewiesenen Fachleuten werden nur Eltern, die auch ADHS-Kinder haben und die daraus resultierende Problematik genau kennen, wirklich verstehen und auch gut beraten können. Bei Erwachsenen ist es oft eine beglückende Erfahrung „Seelenverwandte“ zu treffen, die ähnliche Probleme und Verhaltensweisen haben. Es hilft verstanden zu werden und gemeinsam daran zu arbeiten das alltägliche Chaos besser in den Griff zu bekommen.
Coaching
Sinnvoll ist hier ein Coach, der sich auch mit ADHS auskennt und Techniken vermitteln kann, um die besondere ADHS-Problematik in den Griff zu bekommen. Es geht darum, im Alltag die eigenen Stärken und Schwächen zu erkennen und ggf. auch vor Ort zu lernen, sich selbst besser zu organisieren, Akten anzulegen, Listen zu schreiben, Arbeits- und Finanzpläne zu erstellen usw. Der Coach kann dabei helfen ein besseres Zeitmanagement zu entwickeln, sowie Methoden aufzeigen, wie man Stress reduzieren und gesünder leben kann.
Konzentrations- und Entspannungstrainings
Es gibt für Kinder und Erwachsene Trainings, die die Konzentration deutlich verbessern können. Weiterhin kann es sinnvoll sein, Entspannungsübungen zu lernen, um die innere Unruhe und Nervosität besser in den Griff zu bekommen. Ziel ist es, mehr Gelassenheit entwickeln zu können und z. B. in Prüfungssituationen rascher zur Ruhe zu kommen.
Neurofeedback
Beim Neurofeedback handelt es sich um das modernste, computergestützte Verfahren zur Behandlung von ADS/ADHS. Das Ziel der Neurofeedback-Therapie ist das Sichtbarmachen der Hirnaktivität, die der eigenen Wahrnehmung und der Steuerung normalerweise verborgen bleibt. Durch das Sichtbarmachen am Monitor kann man lernen, wie man seine Hirnaktivität bewusst beeinflussen kann. Das Ziel besteht darin „erwünschte“ Hirnaktivität (=Konzentration) gezielt zu erzeugen und dabei „unerwünschte“ Hirnaktivität (=Ablenkungsreize) zu unterdrücken.
Die erfolgreiche Erzeugung der erwünschten Hirnaktivität wird im Sinne des operanten Lernens durch eine positive Rückmeldung verstärkt. Neurofeedback ist ein probates Mittel, um Selbstwirksamkeit und Selbstkontrolle auf schnellste, kinder- und jugendgerechte Art und Weise zu trainieren. Der Transfer dieser Fähigkeiten in das Alltagsgeschehen (Schule, Hausaufgabensituation, Anforderungen im sozialen Umfeld usw.) spielt dabei eine entscheidende Rolle.
Ergotherapie
Die Ergotherapie behandelt funktional, gezielt und konsequent alle Störungen, die die Entwicklung eines Kindes beeinträchtigen. Dies können z.B. Teilleistungsstörungen sein bezüglich der Motorik (Fein-, Grob-, Graphomotorik: Kinder zeichnen oder schneiden nicht altersgemäß, sind von ihren Bewegungsabläufen nicht altersgemäß entwickelt, auffallend ungeschickt) und/oder der Wahrnehmung (visuell, taktil, kinästhetisch, vestibulär, Körperwahrnehmung etc.: Kinder haben Schwierigkeiten mit der Formkonstanz, Figur-Grund-Wahrnehmung etc.).
Die ergotherapeutische Behandlung bezieht zwar auch physiotherapeutische Elemente mit ein, jedoch steht im Mittelpunkt der Behandlung, dass das Kind einen spielerischen Zugang zu seinen Stärken und Schwächen finden kann. Es wird dort begonnen, wo das Kind in seiner Entwicklung steht, damit es zielgerichtet gefördert, aber nicht überfordert wird. So kann es lernen, durch Erfolgserlebnisse ein gesundes Selbstwertgefühl aufzubauen.
Die Behandlung kann je nach Bedarf z.B. durch die Art des angebotenen Materials, durch die Art der Anleitung sehr strukturiert ablaufen; verhaltenstherapeutische Elemente können eingebaut werden, was insbesondere für die Behandlung von Kindern mit ADHS-Symptomen sehr bedeutend ist. Die Anleitung der Eltern und deren Beratung gehört mit zur therapeutischen Arbeit. Immer häufiger werden in ergotherapeutischen Praxen Konzentrationstrainings (Einzel – oder in Kleingruppe bis zu 4 Kindern) angeboten.
Heilpädagogik
Die Heilpädagogik beschäftigt sich mit Kindern (und auch Erwachsenen), deren Entwicklung unter erschwerten Bedingungen verläuft, z.B. durch leichte oder schwerere Beeinträchtigungen in körperlichen, geistigen, sensorischen, sprachlichen, seelischen und sozialen Bereichen. Durch diese Beeinträchtigungen ist die Entwicklung des gesamten Menschen behindert.
Die Heilpädagogik ist eine wissenschaftliche Disziplin der Pädagogik. Es geht hier nicht in erster Linie um die Behebung eines Defizits, sondern um die ganzheitliche Förderung der Persönlichkeit des Menschen in seinem gesamten sozialen Umfeld. Die heilpädagogische Behandlung fördert Stärken und integriert Defizite. Sie findet in einer Einzel- oder einer Gruppensituation statt. Die Behandlung wird je nach erforderlichen Schwerpunkten individuell gestaltet. Dies reicht von erlebnispädagogischen Elementen über interaktive Rollenspiele, musische und musikalische Anteile, Rhythmik, kreatives Gestalten, verhaltenstherapeutische Programme bis hin zur Förderung der Wahrnehmung, der Fein- und Grobmotorik und der Konzentration.
In der heilpädagogischen Behandlung ist Beziehungsarbeit sehr wichtig sowie die Einbeziehung der Eltern und deren Beratung. Die Elternarbeit umfasst die systemische Familienberatung, Erziehungsberatung, Eltern-Kind-Interaktionstraining, Hausbesuche, wobei die familiären Beziehungsmuster eventuell anhand von Videoaufnahmen verdeutlicht werden können.
Elterntraining
Im Sinne eines multimodalen Therapieangebotes bei der Behandlung einer ADHS ist unter anderem auch eine spezielle Beratung der Eltern des betroffenen Kindes zu fordern. Zudem wurde in der täglichen Arbeit deutlich, dass bei den Eltern der betroffenen Kindern eine große Verunsicherung bestand, wie sie mit der Diagnose ADHS und möglichen Begleitstörungen, aber vor allem auch mit der Indikationsstellung einer medikamentösen Behandlung umgehen sollten. Der zur Verfügung stehende Zeitrahmen zur Diskussion solcher Aspekte in Einzelsitzungen ist aus unterschiedlichen Gründen oft nicht hinreichend. Darüber hinaus äußern viele Eltern den Wunsch, sich in einem geschützten Umfeld mit ebenfalls betroffenen anderen Eltern auszutauschen und von deren Erfahrungen zu lernen.
Schwerpunkte des Elterngruppentrainings bei ADHS sind daher: Information der Eltern über Erklärungsmodelle für ADHS, Medikation, Lernmodelle; verhaltenstherapeutische Angebote im Sinne von Erprobung hilfreicher erzieherischer Maßnahmen unter Supervision; familiensystemische Ansätze durch Reflektion eigener Erfahrungen und der Auswirkungen auf das Familiensystem; Möglichkeit zu offenem Austausch der Teilnehmer über eigene Erfahrungen.
Verhaltenstherapie
Die Verhaltenstherapie ist bei ADHS besonders geeignet. Es geht in diesem Verfahren darum, so konkret wie möglich das eigene Verhalten zu analysieren, die Lerngeschichte herauszufinden und neue funktionierende Problemlösestrategien zu entwickeln und diese immer wieder zu üben. Hierzu sind genaue Problemanalysen notwendig und konkrete Anleitungen, wie problematische Situationen und Verhaltensweisen besser bewältigt werden können.
Das Ziel ist eine Zunahme des Selbstwirksamkeitserlebens, d. h. mit den eingesetzten Strategien erreicht jemand ein gestecktes Ziel und damit eine Stabilisierung des Selbstwertgefühls. Die Verhaltenstherapie setzt altersangemessene Techniken zur Verbesserung der Selbststeuerung ein (z. B. Selbstinstruktionstraining, Checklisten, Frustrationstoleranzaufbau, Ausdauertraining.)
Störungsspezifische Trainingsmodul
Es gibt Gruppentherapieprogramme, die für die besondere Problematik der ADHS-Betroffenen speziell entwickelt wurden. In diesen Therapiegruppen werden für Betroffene ganz spezielle Techniken vermittelt, mit denen es ihnen gelingt, ihr Leben besser zu bewältigen. Es geht um das Thema: ADHS kontrollieren, statt von ADHS überwältigt zu werden. Es werden Techniken geübt, wie man gelassener, achtsamer und bewusster das eigene Leben gestalten kann.
Weiterhin werden Selbstkontrolltechniken und Selbstorgansationstechniken vermittelt. Für viele ADHS-Betroffene ist es schwierig, sozialverträgliche Verhaltensweisen zu erlernen. Häufig verstehen ADHS-Betroffene nicht wie sie andere Menschen kränken und auf welche Weise sie sich immer wieder Probleme schaffen. So ist es wichtig auf die ungeschriebenen Beziehungsregeln zu achten und sich gute Gewohnheiten anzueignen.
Andere Psychotherapien
Der ADHS-Betroffene hat eine ganz spezielle Problematik und besondere Probleme, seinen Alltag zu bewältigen. Die Kindheit ist häufig problematisch gewesen, aber erfahrungsgemäß ist es ratsam, dieses Thema nicht als erstes in der Therapie zu bearbeiten. Ein ADHS-Betroffener benötigt zunächst konkrete Anleitungen im Hier und Jetzt. Die Vergangenheit ist für ihn insofern wichtig, als das es gilt, besser zu verstehen, warum er sein Leben lang immer wieder dieselben Probleme und Niederlagen hatte..
Der ADHS-Betroffene hat aktuell so viele Baustellen, die er bewältigen muss, dass das Aufarbeiten seiner Kindheit ihn eventuell in seinem Chaos und seiner Ablenkbarkeit verstärken könnte. Wenn das aktuelle Leben gut im Griff ist, kann es jedoch sinnvoll sein, die Kränkungen und Misserfolge in der Vergangenheit zu bearbeiten mit dem Ziel, das Selbstbewusstsein zu stärken und sich mit seiner Biographie zu versöhnen. Wichtig ist immer: ADHS-Betroffene haben es mit ADHS schwer, aber die Eltern und Mitmenschen auch!
Fachleute können Ihnen helfen zu entscheiden, ob ggf. eine Spieltherapie (Kinder) oder eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie als Baustein sinnvoll zum Einsatz kommen kann. In der Regel ist dies ratsam, wenn Angst, Depression oder Traumata eine entscheidende Rolle im Gesamtbild spielt.